Gestern habe ich den Nachmittag frei. Das ist deshalb erwähnenswert, weil das höchstens zweimal im Jahr vorkommt. Und anscheinend habe ich irgendwo Karma-Punkte gesammelt, denn das Univesum belohnt mich obendrein mit einem strahlend blauen Himmel. Schon die Fahrt zur Arbeit ist ziemlich spektakulär: Neben mir die bereiften Furchen der gefrorenen Felder und in der Ferne, in Graustufen gestaffelt, die Silhouetten der kahlen Bäume. Dazu über allem eine fette, orangefarbene Sonne, wie ein japanisches Aquarell.
Als ich dann nach Hause komme, ist es warm genug, um auf der Terrasse zu essen: Eingeweckte Tomatensuppe aus eigenen Tomaten, dazu ein Käsesandwich mit selbst gebackenem Toastbrot. Fast könnte ich auf mich selber neidisch werden.

Ich schalte den Brunnen an, und er sprudelt sofort munter vor sich hin. Die Pumpe, die ich im Herbst zu faul war herauszunehmen, hat den Frost überlebt. Es wird geplant: Beim Kaffee spiele ich einer Runde „Bäumchen-verwechsel-Dich“ mit dem Gemüsegartenplan und weiß danach, wo in diesem Jahr die Möhren und Erbsen stehen sollen, immerhin.
Aussat ist angesagt. Ich fühle mich ein wenig verwegen: Noch nie zuvor habe ich im Februar ins Freiland gesät, meistens habe ich zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal angefangen, im Haus auzusäen. Aber zuerst muss die Aussaatstelle freigeerntet werden.


Vor ein paar Jahren wollte ich mal Feldsalat-Samen gewinnen. Ich ließ also einige Pflanzen blühen, aber mit der Samenernte klappte es nicht so, und das ganze Experiment landete auf dem Kompost. Mit dem Kompost wanderten die Feldsalat-Samen dann in den gesamten Garten, selbst in der Blumenrabatte kommt immer eine Mahlzeit zusammen. Und natürlich ist der halbe Gemüsegarten voll. Ich lasse den Feldsalat auch immer stehen. Es tut den Boden gut, im Winter bedeckt zu sein, und natürlich ist er viel erfolgreicher, als meine eigene Aussaat aus dem Spätherbst.

Das reicht für mindestens zweimal Abendessen. An seine Stelle kommen Möhren: kleine Pariser Karotten, die zu Kugeln heranwachsen sollen und eine ganz frühe Sorte, die man auch als sogenannte „Katharinen-Möhren“ im November zur Überwinterung aussäen kann.
Außerdem kommen Zuckererbsen ins Beet. Mein Mann mag die zwar nicht so gerne, aber eine meiner liebsten Pasta-Variationen ist mit Paprika, Hähnchenbrust, Zuckerschoten und ordentlich Sojasoße. Ein laufender Meter wird für mich reichen.


Wenn man seinen Garten mit Tieren teilt, tut man gut daran, eine frische Aussaat zu schützen. Für die Katzen ist ein frisch gejätetes Beet eine klare Aufforderung zum wühlen. Die schräg gesteckten Stäbe, die ich am Wochenende unbedingt noch ergänzen muss, wirken ziemlich abschreckend, und die Reste des Wäsche-Flügeltrockners schützen nicht nur die Erbsen sondern können auch gleich als Rankgerüst herhalten. Und weil frisch gekeimte Erbsen für die vom Winter noch hungrigen Vögel ein willkommener Leckerbissen sind, bekommen sie noch eine kleine Tarnung mit den letzten Resten der Melonen und der Kapuzinerkresse, die zuvor auf diesem Beet gewohnt haben. Hoffentlich reicht das!
Ein schneller Kontrollgang durch das Gewächshaus zeigt mir, dass die Salate, die ich noch im Spätherbst ausgesetzt habe, fast vollständig eingegangen sind. Ich hätte sie im Grunde gleich auf den Kompost tun können. Aber so etwas weiß man ja vorher nie, und zwei Pflänzchen haben ja sogar überlebt.


Der Nachmittag ist schon weit vortgeschritten, als ich endlich an mein Staudenbeet gehen kann. Es juckt mich in den Fingern, ich will pflanzen, sofort, die Schwertlilien, die gerade austreiben, und die Taglilien umsetzen, aber ich weiß, dass der Boden unbedingt noch verbessert werden muss. Also verteile ich erst einmal ein paar Hände Bittersalz auf dem Boden. Bittersalz ist der Trivialname von Magnesiumsulfat, und hierzulande ist Magnesium wohl ziemlich ausgewaschen, habe ich irgendwo gelesen. Überhaupt ist Magnesium immer gut, und sei es, damit meine Pflanzen einmal ganz tiefenentspannt wachsen.
Dann ist der Lehm dran. Wie schon berichtet, besteht die gekaufte Muttererde, die wir beim Hausbau haben anfahren lassen, im wesentlichen aus Sand. Aber vom Hausbau ist auch noch ein kleiner Hügel Lehm übrig, den wir ausbaggern lassen mussten, damit das Haus sicher stehen kann. So etwas lässt man natürlich nicht abfahren, wenn man in der Streusalzbüchse Preußens wohnt. Den Platz auf dem Grundstück haben wir ja.
Dieser Lehmberg hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Als die Kinder klein waren, habe ich mal die Spitze zu einem kleinen Plateau eingeebnet, und rings herum Sonnenblumen ausgesät. Ein Sonnenblumenschloss zum spielen. Hat nicht wirklich funktioniert, und so wurde der Berg den Brennesseln überlassen. Ein paar Mal habe ich Kürbisse darauf gezogen, aber im wesentlichen dient der jetzt als Zwischen- und Endlager für den Rasenschnitt und das Laub, mit dem ich den Gemüsegarten mulche. Meistens ist mehr Laub und Grasschnitt da, als ich verbrauche, und so hat sich im Laufe der Jahre eine nette Humusschicht angesammelt.

Oben ist der schwarze Humus, nach unten hin der gelbliche, manchmal auch fast graublaue Lehm. Ich kratze sechs Schubkarren voll herunter. Das geht jetzt im Frühjahr noch mühelos, aber in zwei, drei Monaten wird das ganze hart wie Beton sein. Naürlich besteht der Berg nicht nur aus Lehm. Ich hole neben ettlichen Steinen auch noch solche Massen von Brennesselwurzeln heraus, dass ich locker eine ganze Fußball-Altherren-Mannschaft von ihren Prostata-Problemen kurieren könnte.

Und noch etwas findet sich: Dieses Opfer eines Gewaltverbrechens landete vermutlich mal als Sonntagsbraten auf irgendeinem Esstisch. Ich bin ja kein Veterinär, aber ich würde auf Oberschenkelknochen tippen. Vielleicht ein Schinken?
Landleben halt.
Über der Lehmfahrerei wird es dunkel und ich habe gerade noch genug Licht, um mir den Dreck aus den Schuhsohlen zu kratzen. Für den Tag habe ich genug von Aussaat und Buddelei. Die Anzucht auf dem Fensterbrett wird warten müssen.
Hast du die hübschen Schirmpilze schon bestimmt? Essbar? Oder mag das bei euch keiner?
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Die „hübschen Schirmpilze“ kommen aus der Keramikwerkstatt einer Freundin ;). Aber zur Pilzzeit haben wir jede Menge Schopftintlinge und Riesenboviste auf dem Hof, die allerdings keiner mag.
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Haha, wow, die sehen auf dem Foto fantastisch echt aus. Kompliment an die Freundin.
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