Kraut: Arbeit im Wintergarten

Bei Frost liegen die Pflanzen flach auf dem Boden, als wollten sie sich schutzsuchend an die Erde kuscheln. Auch der Rosenkohl senkt die großen Blätter schützend über seine Röschen. In Wirklichkeit wird Wasser aus den Zellen abgezogen, dadurch steigt die Konzentration an Mineralsalzen und Zucker, so dass das restliche Wasser in der Zelle nicht gefriert und diese platzt. Naturwissenschaft ist ja so prosaisch!

In den meisten Büchern steht, dass der Garten im Winter ruht, und der Gärtner deshalb auch eine Zeit der Ruhe hat, in der er sich ins Warme zurückzieht und das Gartenjahr Revue passieren lassen kann. So ein Blödsinn. Der Winter ist die Jahreszeit, in der die ganzen Arbeiten erledigt werden, zu denen man im Sommer vor lauter Unkraut jäten und ernten nicht kommt: Schuppen aufräumen, Holzbauten sie Rankgitter oder Pergolen oder Schuppen reparieren. Dann müssen die Pflanzpläne gemacht werden, die Obstbäume geschnitten und Sträucher von abgestorbenen Ästen befreit werden. Wie zum Beispiel die Brombeeren.

Draußen ist ein strahlend blauer Himmel und es ist eiskalt. Am Sonntag habe ich das noch ignorieren können, weil ich mir ein Kleid fertig nähen wollte, aber heute will ich für zwei Stunden an die frische Luft. Gerade als ich mich in mehrere Schichten Skiunterwäsche, Pullover und Gartenkleidung pelle, klingelt das Telefon und eine liebe Freundin fragt an, ob sie auf einen Kaffee vorbeikommen kann. Mein erster Gedanke ist: „Shit, ich habe doch schon so viel kostbare Gartenzeit mit so unwichtigen Dingen wie Fenster putzen und Wäsche waschen vertan“ aber dann schelte ich mich augenblicklich als undankbares Geschöpf. Wie toll ist es denn, dass ich eine Freundin habe, die spontan vorbei kommt!

Und dann sitzen wir warm eingepackt bei Kaffee und einem Rest Pflaumencrumble auf meiner Terrasse in der Sonne und ich denke: „Mein Gott, ist das Leben gerade gut zu dir!“

Zu meinen Brombeere bin ich natürlich auch noch gekommen. Es ist ja inzwischen bis halb sechs Uhr noch hell. Der Schnitt von Brombeeren ist ganz einfach. Brombeeren tragen an den diesjährigen Seitentrieben des Neutriebes vom Vorjahr. Alles andere kommt weg.

Man muss also nur den abgeernteten Zweigen bis nach ganz unten (weiße Linie links) folgen und „Cut“. Fertig.

Im Handumdrehen ist die Schubkarre voll und ein Drittel des Brombeerspaliers ist fertig. Ich habe im letzten Jahr gut geschnitten, es ist nicht allzuviel Totholz vorhanden. Und dieses Jahr wird auch alles gleich gehäckselt. Das habe ich im letzten Jahr nicht geschafft, mit dem Resultat, dass man rings um das Brombeerspalier andauernd über kleine Haufen mit steinharten Brombeerabschnitten stolpert.

Der Häcksler weigert sich, anzuspringen. Entweder ist es zu kalt für den Elektromotor, oder das Messer ist irgendwie verkeilt. Letzteres kann eigentlich nicht sein, ich reinige den Häcksler normalerweise direkt nach jedem Gebrauch, da bin ich pingelig. Also wird der Trichter abgeschraubt, natürlich ist alles sauber, natürlich drehen die Messer frei und beim Zusammensetzen frage ich mich zum hundertausendsten Mal, warum zum Kuckuck Viking bei seinen doch wirklich gut durchdachten Häckslern keine Schnellspannschrauben verwendet hat. Auch beim zweiten Versuch will der Häcksler nicht anlaufen, erst als ich die Drehrichtung umstelle, bequemt sich das dumme Teil zu arbeiten.

Als ich fertig bin, alles saubergemacht und aufgeräumt habe – die Häcksel kommen auf das Himbeerbeet, wenn ich es im Frühjahr saniere – bleibt mir noch Zeit für einen kleinen Rundgang.

Die warmen Temperaturen der letzten Wochen haben den Rhabarber davon überzeugt, dass er schon austreiben darf. Er bekommt eine leichte Decke aus abgestorbener Kapzuinerkresse vom Nachbarbeet. Auch die etwas kälteempfindliche Rose an der Küchenterrasse bekommt eine Schutzschicht aus Stroh und ein paar Zweigen von unserem Weihnachtsbaum. Und dann müssen die Äpfel im Lager noch beheizt werden. Unsere Äpfel überwintern in einer alten Gefriertruhe im Schuppen. An frostfreien Tagen ist die Truhe offen, bei Temperaturen um Null Grad ist sie geschlossen und wenn es richtig friert, stellen wir nachts einen fünf-Liter-Kanister mit heißem Wasser als Heizung hinein. Als ich ins Haus zurückkehre, beginnt die Dämmerung herabzufallen. Winterzeit ist Ruhezeit? Pah!

2 Kommentare

  1. Ich bin ja nicht so der „Kraut“ Typ, aber ich habe mich beim Lesen blendend amüsiert. Ich glaube, mir gefällt das Prosaische der Naturwissenschaften. Lieben Gruß Manuela
    P.S. Was nähst Du denn für ein Kleid?

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    • Den Zwilling zum Weihnachtskleid, ich habe es schon beim WKSA zugeschnitten: schmale Ärmel, etwas weniger Rollkragen und ein Muster aus stilisierten Bäumchen mit Schneeflocken . Hat was von Fischschuppen und ist inzwischen auch fertig.

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