Nähfragezeichen

Nach einigen Tagen voller Erntestress habe ich mal wieder Zeit zum Bloggen. Lauter spannende Artikel habe ich noch nicht gelesen.

Aber Meikes Nähfragezeichen finde ich so spannend, das möchte ich nicht nur im Kommentar beantworten. In unserer Familie hat das Selbernähen so etwas wie Tradition. Meine Mutter benähte uns alle, sich selber eingeschlossen und gestrickt hat sie auch. Teilweise waren die Ergebnisse toll, aber es gab auch echte Flops. Ich erinnere mich an eine Zeit, als Boxershorts für den Sport „in“ waren. Geld war immer eher knapp, also nähte Mama uns welche aus irgendeinem Frotteestoff, den sie noch hatte. Am Saum eingefasst mit blauem Schrägband, mit ordentlich „Stand“ , schlotterte das riesige Teil um meinen dünnen Mädchenkörper. Meine Klassenkammeradinnen nannten sie die „Bomber“. Ich habe sie trotzdem getragen, denn ich hatte keine echte Alternative. Andereseits erinnere ich mich an ein Sommerheft von Burda, in dem ich ein Kindermodel so toll fand und meine Mutter mir das ganze Outfit nachnähte. Sie hat alle Stoffgeschäfte abgesucht, um den passenden Stoff zu finden und ich habe die Sachen geliebt. Sie war auch beim „Pimpen“ sehr erfinderisch: Die von Freunden geerbte Hose war eng und Schlaghosen waren angesagt? Kein Problem, sie setzte Keile in die Seitennähte aus einem Rest der Kinderzimmergardine, nähte einen dazu passenden Blouson (dieser Gardinenrest muss sehr groß gewesen sein), fertig war das schicke Outfit.

Als ich dann älter wurde, hat sie mir das Nähen beigebracht. Zuerst musste ich ein paar  Teile von Hand nähen (Turnbeutel, Puppenkleider, damals fing ich an, schweizer Stoffpuppen selber zu machen), und dann wurde ich in die Geheimnisse der alten Husquarna eingewiesen. „Das ist das Reduktionsgetriebe und hier ist das Antriebspedal. Hier ist die Gebrauchsanweisung, da steht alles drin. Näh‘ mal die Linien nach, die ich dir auf das Blatt gezeichnet habe. Wenn du das hinbekommst, kannst du selber nähen.“ Danach bekam ich eine „Carina“, eine Nähzeitung für Jüngere aus dem Hause Burda, in die Hand gedrück mit dem Auftrag zu fragen, wenn ich nicht weiterkomme. Mein erstes Stück war eine Latzshorts mit Bindeband im Tunneldurchzug an der Taille aus einem selbstgefärbten alten Bettlaken. Damals war ich vierzehn und so stolz!

Mit dem Stricken war es ähnlich, Mama zeigte uns die Basics und dann gab es Bücher und Zeitschriften und sie ließ uns einfach machen. Ich hätte sie jederzeit fragen können, aber ich habe mich meistens selbst belesen. Meine Mutter hat uns immer ermutigt, selber klar zu kommen und uns wenig bevormundet.

Immer wenn der modische Geschmack zu teuer für den Geldbeutel war, habe ich selbst genäht, wenn ich die Zeit hatte. Als Schülerin oft auch aus Bettlaken, die dann gefärbt wurden. Das Kostüm zum Examen wurde dann später umgefärbt und umgeknöpft und hängt heute noch in meinem Schrank. (Und weil es ganz sorgfältig gearbeitete Paspeltaschen hat, werde ich es vielleicht noch beim Taschenmonat posten.) Und ganz in der Tradition der Familie habe ich auch mein Brautkleid selber genäht, wie schon meine Mutter und meine Schwester zuvor.

Besonders stolz macht es mich, dass meine große Tochter der Tradition folgt. Diesen Sommer hat sie mit ihren 13 1/2 Jahren ihr erstes Kleid mit ganz wenig Hilfe meinerseits genäht, witzigerweise das gleiche, das Sewing Galaxy vor einigen Wochen auf ihrem Blog vorstellte! (Ein Bild folgt noch).

Danke Mama, Du hast mir da etwas ganz besonderes mitgegeben.

Mehr zum Nähfragezeichen findet ihr bei Meike.

Ein Kommentar

  1. „Mach mal, ich helf Dir, wenn es nicht weitergeht“, sage ich auch immer meinem großen Kind. Noch geht es dabei um Puzzles oder Lego. Aber ich glaube, das ist die beste Art, ein Kind zur Selbständigkeit zu erziehen.
    Meine Mutter hatte wenig Zeit (alleinerziehend mit drei Kindern und berufstätig), da hatte ich vorher viel Zeit, in der Anleitung zu lesen und so lange zu probieren, bis mein Problem gelöst war.

    Die Carina war super, gell? Ich habe sie gekauft, solange es sie gab und viel daraus für mich genäht. Wir hatten ja auch wenig Geld.

    Prima, dass Dir meine Frage gefallen hat. Meine Antwort kannst Du auf meinem Blog lesen:
    http://die-linkshaenderin.blogspot.de/2012/09/nahfragezeichen-trauma-oder-vorbild.html

    Liebe Grüße,
    Henriette

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