Einige von Euch wissen es bereits: Ich habe nicht nur ein Burda-Abo sondern auch ein Konzert-Abonnement beim Cottbuser Staatstheater. Gestern war es wieder einmal so weit:
Valerio Sannicandro (1971) – Windströme (Uraufführung)
Johannes Brahms (1833-1897) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op.83 (Solo-Cello Frank Wiethaus)
Ralph Vaughan Williams (1872-1958) Sinfonie Nr. 7 (Sinfonia Antarctica)
- Joseph Moog – Klavier (beim Brahms)
- Cornelia Zink – Sopran (beim Williams)
- Damen des Kammerchors der Singakademie Cottbus
- Dirigent: Marc Niemann
Fangen wir also an. Für den Williams wird eine Theaterrequisite benötigt, eine Windmaschine, um genau zu sein. Das ist eine große Trommel, die man dreht und die dann ein Geräusch wie Windgeheule erzeugt. Möglicherweise fand Herr Sannicandro, dass man das Ding ruhig benutzen sollte, wenn es einmal auf der Bühne steht. Das war zumindest mein erster Gedanke, als ich die Instrumente auf der Bühne sah.
Über die Cottbuser Uraufführungen habe ich mich in der Vergangenheit meistens ziemlich boshaft ausgelassen, etwas anderes haben sie auch nicht verdient. Heute ist es anders. Mit einer regelrecht ausschweifenden Orchestrierung – ich habe fast alles auf der Bühne gesehen, was ich so an Instrumenten kenne, und von allem ganz viele- inclusive eines Megafons (das vermutlich die Theaterregisseure benutzen, um den Schauspielern aus dem 2.Rang Anweisugen zuzurufen), mit all diesem gelang es Herrn Sannicandro fast jedes Geräusch zu erzeugen, das der Wind so macht. Leisen Hauchen, pfeifen, Geheule; ich konnte förmlich die Stromleitungen schwanken und Äste gegen das Haus klopfen sehen. Fazit: Absolut interessant, originell und hörenswert.
Brahms Klavierkonzert sollte eigentlich „Konzert für Orchester mit obligatorischem Klavier“ heißen (Hey, das steht ja auch im Programm! Da hatten wohl zwei denselben Gedanken!). Es ist ein schwieriges Werk, das dem Pianisten wenig Raum zum Angeben lässt. Joseph Moog, 25 , trat auf die Bühne wie ein Verschnitt aus Florian Silbereisen und Robert Pattinson in den Twillight-Filmen, sehr jung, sehr blass, in einem reverslosen Sakko mit ca 3,5cm breiten Satinstreifen an den Kanten (schließlich ist das hier zumindest teilweise ein Nähblog!). Im ersten Satz fielen mir leider die Augen zu, irgendwie klang alles ziemlich einheitlich, das Orchester hatte noch nicht zu seiner guten Form gefunden. So entging mir ein fulminater Ausstieg des Solisten, der auswendig spielte. Das erzählte mit zumindest eine Bekannte in der Pause, die ganz begeistert über die Nervenstärke war, mit der der Pianist weiterspielte. Ich kam erst wieder im 2. Satz dazu. Das ganze Konzert war sehr solide gespielt,das Orchester steigerte sich von Satz zu Satz, und das Cello-Solo im Andante war wunderbar, ganz klangvoll und mit viel Gefühl, ohne sentimental zu sein. Die kleinen Unsicherheiten in der Intonation habe ich da gerne überhört. Überhaupt gefiel mit die recht sachliche Interpretation des Werkes, ich finde Brahms wird allzu oft viel zu romantisch gespielt. Allerdings fehlte mir bei Herrn Moog eine gewisse Leichtigkeit. Ich hatte den Eindruck, dass er sich sehr darauf konzentrierte, jede Note zu erwischen (hat er ja vielleicht auch nach dem 1. Satz). Auch fand ich das Klangbild etwas zu einheitlich, was aber auch an dem Cottbuser Flügel liegen kann, der ist halt kein Spitzeninstrument. Fazit: Anständige Aufführung, Herrn Moog würde ich gerne in 10 Jahren wieder hören, da ist noch Luft nach oben.
Die Sinfonia Antarctica hatte ich mir schon mittags beim Kochen angehört. Da gibt es sirenenartige Gesangseinlangen, die bei mir schlimme Befürchtungen weckten. Das Stück ist echt toll, gut anzuhören und das Orchester hat klasse gespielt. Die Sängerinnen haben gut und sauber gesungen. Allerdings ist Gesang grundsätzlich eine Geschmackssache. Ich persönlich mag klassischen Frauengesang nicht übermäßig gern anhören, und mit einer dramatischen Sopranstimme , die mit viel Kraft und Vibrato singt, kann ich schon überhaupt nichts anfangen. Technisch war es einwandfrei, mein Geschmack aber nicht.
Fazit: Wieder ein gelungener Konzertabend, bei dem die positiven Eindrücke eindeutig den Sieg davongetragen haben. Seit Evan Christ Chefdirigent in Cottbus ist, hat sich das Orchester enorm gesteigert. Südbrandenburg wird hier sehr gut bedient, man muss nicht für ein gutes Konzert nach Berlin fahren.