Ich habe ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu Alpenveilchen. Da gibt es zum einen die Zimmerpflanzen, zarte Porzellanschönheiten mit großen Blüten, die im Frühjahr regelmäßig die Blumengeschäfte fluten. Meine Großtante pflegte sie zwischen den Doppelfenstern ihrer Charlottenburger Altbauwohnung zu züchten. Kühl, tocken und hell gehalten, blühten sie Jahr für Jahr zuverlässig wieder.
Meine Mutter, mit einer Fensterbank über einem großen Heizkörper am Südfenster ausgestattet, hatte da weniger Glück. Irgendjemand brachte ihr ein Alpenveilchen mit und das wurde dann mühsam über den Sommer gebracht. Wahlweise zu feucht oder zu trocken gehalten, mickerten sie vor sich hin. Manchmal gelang es meiner Mutter tatsächlich, ein paar neue Blüten hervorzulocken, aber meistens schenkte ihr nach einem Jahr des Elends eine mitleidige Seele ein neues Exemplar und der Kreislauf wiederholte sich. In meiner Erinnerung sind diese Alpenveilchen irgendwie immer gammelig und häßlich, und ich habe die liebevolle Zuwendung, die meine Mutter ihnen angedeihen ließ, nie wirklich verstanden. Vielleicht auch, weil meine Zimmerpflanzen-Daumen bestenfalls als hellst-grün zu bezeichnen sind.
Aber dann lernte ich in Frankreich wilde Alpenveilchen kennen. Cyclamen Coum, das Vorfrühingsalpenveilchen, hat mit der Zimmerpflanze Cyclamen persicum in puncto Robustheit herzlich wenig zu tun. Nur halb so groß, anspruchslos und winterhart, wächst es im Loire-Tal wild oder verwildert in großen Teppichen unter den Bäumen von Parks oder lichten Wäldern.

Kaum hatte ich das gesehen, wusste ich: „Das will ich auch“!
Nun sind diese Pflanzen aber nicht unbeding einfach zu bekommen, und wenn man sie mal in einer Staudengärtnerei entdeckt, sind sie ziemlich teuer. Ich habe vor ein paar Jahren zwei bezahlbare Cyclamen hederifolium, efeublättriges Alpenveilchen, das im Spätherbst blüht, im Baumarkt gefunden. Einige Jahre wuchsen sie quasi unter dem Radar im Staudenbeet, das Laub hatte sich meistens gerade verzogen, wenn ich mal gejätet habe, aber im letzten Jahr entzückten sie mich mit einer Reihe zarter rosa Blüten.

So sieht es aus, das Efeublättrige Alpenveilchen, das ausgewachsene Laubblatt links unten hat Ähnlichkeit mit einem Efeublatt, daher der Name. Ich habe die Planzen mit kleinen Deko-Steckern markiert, damit ich sie nicht versehentlich ausjäte.
Unten rechts im Bild sind ein paar Blätter des Efeu-Gundermanns oder der Gundelrebe zu sehen. Wer bei dem hübschen Zweitnahme der Pflanze an das entzückende Bilderbuch „Die alte Linde Gundula“ denkt, ist leider schief gewickelt. Denkt lieber an Gundel Gaukeley, die fiese Hexe von Donald Duck, da seid Ihr auf der richtigen Spur. Nicht nur sehen die Blätter der Gundelrebe denen des Alpenveilchens ausgesprochen ähnlich, je nach vorhandenem Licht und Müdigkeit kann man sich da schnell mal vertun, nein, diese Rebe übewuchert mit langen Ranken in blitzesschnelle jegliches Beet, Rasen und was sonst auch immer. Und genau wie der Efeu bildet sie an den Trieben lauter Wurzeln aus der Blattachsel, so dass es nicht ausreicht, die Mutter der Tentakel auszureißen. Aus jedem noch so kleinen Abschnitt wächst eine neue Pflanze und fordert die Gesamtherrschaft über das Beet. Früher wurde er übrigens als Gewürzpflanze verwendet und die jungen Sprosse als Gemüse gegessen, die leicht bittere Pflanze ist für Menschen ungiftig. Sehr giftig jedoch ist sie für Pferde, weshalb sie auch auf einer Weide und auch im Heu nichts zu suchen hat. Glücklicherweise schmeckt sie den Tieren nicht, sie spucken die bitteren Stängel in der Regel wieder aus.
Freitag vor einer Woche waren wir in Cottbus auf einer Gartenmesse. Ich war eigenlich vor allem dort hingegangen, um ein Samentütchen von „Kaletten“ zu erstehen. Diese Kreuzung aus Rosenkohl und Grünkohl schmeckt nussig und äußerst lecker. Da es sich aber um F1-Hybriden handelt, bekomme ich sie bei den von mir bevorzugten Anbietern von samenfestem Biosaatgut nicht, und nur für ein Tütchen wollte ich nicht in Internet bestellen. Die Messe begann am Freitag un 10:00 Uhr, und schon um 14:30 war der Händler AUSVERKAUFT! Wie ist so etwas möglich? Wenn ich einer von 3 Anbietern für diese spezielle Gemüsepflanze bin, dann nehme ich doch ausreichend Ware mit, oder?
Ich war durchaus frustriert, aber in der Nachbarhalle entdeckte ich Vorfrühligsalpenveilchen zu erschwinglichen Preisen, und dann war der Tag natürlich gerettet. Garten-Deko und solche Pflanzen für mein neues Beet will ich nämlich erst kaufen, wenn ich weiß, was der Garten nach seine Umgestaltung noch vertragen kann. Nur an einer sehr schönen bunten Kugel aus dickwandigem Glas konnte ich nicht vorbeigehen, aber so etwas findet immer einen Platz.


Ich kaufte einige Töpfe in verschiedene Schattierungen von weiß bis pink. Samstag wanderten sie gleich ins Beet.

Unter all dem Herbstlaub und dem Unkraut fallen sie kaum auf, von solche Pflanzen braucht man ziemlich große Mengen, damit sie eine Flächenwirkung entfalten können. Hier unter dem Apfelbaum haben sie aber einen guten Standort zum verwildern, schattig mit ein paar gelegentlichen Sonnenstrahlen und jede Menge Humus durch verrottendes Laub.
Von oben nach unten ist noch ein ziemlicher Weg, aber ein Garten hat ja Zeit.