Was man dieses Wochenende Nettes tun kann: Postkunst und History in Fashion

Für alle, die noch nichts wissen, wie sie diesen Sonntag verbringen wollen, gibt es hier zwei Tipps:

Sonntag endet die Anmeldungsfrist für die diesjährige Frühjahrspost auf dem Post-Kunst-Werk-Blog von Tabea Heinicker und Michaela Müller.Frühling-20-900-markeIch habe mich schon vor ein paar Tagen angemeldet, möchte aber noch ein bisschen „Last-Minute-Werbung“ für diese schöne Aktion machen. Im letzten Jahr war ich ja bei der Adventspost dabei. Diese Aktion ist auch nicht meine erste Frühlingspost, aber die erste Mail-Art-Aktion, bei der etwas für mein textiles Hobby herausspringt!

7 Teilnehmer einer Gruppe bedrucken 7 Stoffabschnitte von 50×75 cm (das sind ungefähr 1,5 Fat Quarters) mittels Schablonendruck mit Frühlingsmotiven aus Flora und Fauna. Zum jeweiligen Tag X versenden sie 6 dieser Stoffstücke an die anderen Teilnehmer ihrer Gruppe und erhalten im Gegenzug Stoffdrucke zurück.

Ich bin schon randvoll mit Plänen sowohl für meinen Druck und die Herstellung der Schablone als auch für das, was letztendlich aus den Stoffen entstehen soll. Neben meinem Bett stapelt sich, was die örtliche Bibliothek zum Thema Stoffdruck und Schablonendruck zu bieten hatte neben Büchern über Upcycling und Patchwork. Erfreulich ist auch, dass ich Stoff aus meinem Vorrat verwenden kann, Stoffdiät halt!

Der zweite Tipp ist die Einladung zu einem Trip! Laut der New York Times gehört Leipzig zu den „52 Places to Go“ und für Textil-Nerds gibt es aktuell ein besonderes Highlight zu sehen:History in Fashion (3)

Im Grassi-Museum für angewandte Kunst, 300m vom Gewandhaus entfernt und in Laufdistanz zum Bahnhof, gibt noch bis Ende März die Sonderausstellung „History in Fashion“ zu sehen. Ich war dort am letzten Freitag und war fasziniert und begeistert.

Die 1500 Jahre, von denen auf dem Plakat die Rede sind, treffen zwar nur auf zwei kleine Exponate zu. Aber allein die Tatsache, dass Stoff-Fetzen eine so lange Zeit überstehen und dabei sogar noch farbig bleiben, ist ganz außerordentlich.

Danach gibt es einen Zeitsprung von ca. 500 Jahren mit ein paar Exponaten und dann geht es noch einmal ein paar Jahrhunderte weiter zu den allerfaszinierendsten Kleidungsstücken und Mustertüchern aus dem 16./17. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. (Wobei die Stickereien von heute neben den bestickten Westen des Barock und den Musterüchern aus dem 17. Jahrhundert geradezu armselig wirken!)

Ich habe mir natürlich die Ausstellungsstücke Faden für Faden angesehen, mein Mann, der diese Ausstellung für mich entdeckt hat, kam in der Art-Deco-Porzellan-Ausstellung und der ständigen Ausstellung auf seine Kosten ( nicht dass er die Stickerei uninteressant gefunden hätte, das nicht, aber er ist halt nicht so irre wie ich!)

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Quelle: Webseite des Grassi-Museums

Dieses Exponat hat mich ganz besonders berührt und meine Phantasie angeregt. Ein Taufkleid aus einer Tischdecke. Feinstes Leinen, mit buntem Seidengarn bestickt. Die Besitzerin der Decke hat die obere Kante abgetrennt und einen Tunneldurchzug für ein Bindeband genäht. Dann hat sie zwei Schlitze in den Stoff gemacht und aus dem abgeschnittenen Rest die Ärmel eingesetzt. Die Ärmel wurden anders bestickt, als die Kanten des Tischtuches und zusätzlich wurden noch zwei Kreuze aufgestickt.

Welche Geschichte steckt hinter diesem Taufkleid? Was mag die Mutter bewogen haben, eine Tischdecke dafür zu opfern, anstatt ein neues Taufkleid extra anzufertigen?

Vielleicht kam das Kind zu früh, musste ganz schnell getauft werden und sie hatte nicht genug Zeit? Vielleicht war sie ein Fräulein von Stand und verarmt,  und während sie vor ihrer Ehe Zeit und Muße für solche kunstfertigen Handarbeiten gehabt hatte, musste sie nun mit anpacken, mitarbeiten im ehelichen Betrieb oder den Haushalt selber führen? Vielleicht war dieses Tischtuch das Schönste, was sie besaß und gerade gut genug, um ihr Kind vor Gott zu präsentieren?

Sicher erscheint mir, dass dieses Taufkleid von mehr als nur einem Kind getragen wurde, denn auf der Rückseite am Saum ist mit großer Sorgfalt ein bestickter Flicken eingesetzt worden. Wenn das Tischtuch schon vor seiner Karriere als Taufkleid beschädigt gewesen wäre, hätte die junge Mutter nicht dann das geflickte Ende abgeschnitten? Es sei denn, die Borte war nicht umlaufend, wofür die andersartige Stickerei der Ärmel sprechen würde. Möglicherweise war die Tischdecke eine Art Läufer mit einem andersartig gestickten Mittelteil und dieser Läufer wurde in zwei Teile geteilt. Vielleicht als Erbe einer Mutter an ihre Töchter oder als Geschenk einer Dienstherrin an zwei treue Dienerinnen / Zofen / Hausmädchen, zu deren Hochzeit?

Kleidungsstücke erzählen Geschichten ( auch wenn diese Geschichten hier reine Spekulation sind) . Die Ausstellung regt dazu an, diese Geschichten zu (er-)finden.

Absolut empfehlenswert!

Bei den Ausstellungsstücken gab es auch etwas, das mir bekannt vorkam: Schablonen aus dünnem Kupferblech für die Weißstickrei. So etwas habe ich mitsamt ihrem Stickgarn von meiner Mutter geerbt:

History in Fashion (2)

Mit der blauen Farbe aus dem Näpfchen und dem Pinsel wurde ein Monogramm auf der Aussteuer-Wäsche vorgezeichnet und dann mit weißem Garn nachgestickt. Ich glaube, die Farbe ist Wäsche-Blau, blaue Farbe, die man früher in den letzten Spülgang der Weißwäsche gab, um den Gelbstich zu überdecken. Der Vorläufer der optischen Aufheller.

History in Fashion (1)

Im Gegenlicht erkennt man die Monogramme und das Muster für Langetten-Bögen. Oben auf der Schablone ist “ *Merkenthaler’s Künstler-Aussteuer-Schablone* “ eingeprägt, unten steht No 473 und „Muster geschützt“ und ein verschlungenes Logo. Gelebte Geschichte halt.

2 Kommentare

  1. Schön, dass Du auch Frühlingspost und Stoffdiät verbindest 🙂 Direkt wird es bei mir nicht so glücken, die meisten meiner Vorräte sind eher elastische Kleidungsstoffe. Aber ich hoffe auf ganz viel Erkenntnisgewinn 😉 den ich dann für meine Vorräte anwenden kann. Ich bin auf jeden Fall schon sehr neugierig auf die bedruckten Stoffe der Frühlingspost! Liebe Grüße!

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    • Ich bin auch schon ganz gespannt. Morgen will ich ein Material für Schablonen testen. Bislang habe ich bei jeder Postkunst-Aktion neue Techniken gelernt, das gefällt mir ganz besonders daran! In unserer Gruppe versende ich ja als letzte, da könnte ich ja auch Inspirationen bei den Vorgängerinnen finden, aber ich will meine aktuelle Urlaubswoche für den Druck nutzen.
      Liebe Grüße, Stefanie

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