
Als Svea nach dem Weihnachtsmarkt in das Gartenhäuschen zurückkam, wurde sie schon von Lasse und Eisbart erwartet. Lasse hatte eingekauft und dann auf dem Rückweg noch Eisbart abgeholt. Sie wollten gemeinsam kochen und essen, bevor Eisbart wieder zu den Rentieren und dem Schlitten zurück musste.
Es wurde ein vergnügter Abend, und danach, satt und warm, und erschöpft von den ganzen Aufregungen der vergangenen Tage, schliefen die beiden Wichtelkinder zum ersten Mal seit längerem wieder tief und traumlos.
Am nächsten Morgen war der Himmel blau und endlich schien auch wieder die Sonne. Nach dem Frühstück sagte Svea: „Lass und doch einen Spaziergang zu Eisbart und den Rentieren machen. Ich muss hier mal raus. Ich werde nämlich noch verrückt hier. Und wer weiß, vielleicht pustet die frische Luft ja auch die Verstopfung aus unseren Gehirnen und wir haben die perfekte Idee, wie wir den Weihnachtmann befreien können.“
Der Weg zu Eisbart und den Rentieren war zwar für Svea mit den Krücken etwas mühsam. Aber sie hielt tapfer durch. Den Vormittag verbrachten die drei Wichtel damit, die Rentiere mal so richtig gründlich zu striegeln und zu pflegen. Zwei Stunden später hatten die Rentiere wieder ein sauberes, glänzendes Fell und wirkten sehr zufrieden, einen Plan zur Befreiung des Weihnachtmannes hatten sie aber immer noch nicht.
Mittags gingen sie wieder zu dritt zurück und aßen von dem Eintopf, den sie am Abend zuvor gekocht hatten. Die Sonne war hinter dichten Wolken verschwunden und es würde sicher noch mehr Schnee geben. Die Stimmung der drei war gedrückt.
Eisbart hatte sich gerade verabschiedet, als Markus und Lena auftauchten.
„Und? Habt ihr schon einen Plan?“, erkundigte sich Markus.
„Wir hatten gehofft, dass ihr eine zündende Idee mitbringt“, antwortete Lasse.
„Also nicht.“ Markus wirkte enttäuscht.
Lena stampfte mit dem Fuß auf. „Ich weigere mich einfach, die Hoffnung aufzugeben! Kommt schon, Leute! Irgendwas muss uns doch einfallen!“
„Vielleicht sollten wir noch einmal zur Klinik gehen. Wir waren doch nur ganz kurz da. Wir müssen uns einfach das Gebäude noch einmal genau bei Tageslicht ansehen. Komm Lasse, ziehen wir uns die Jacken an.“
„Schaffst du das denn, nochmal so weit zu laufen?“ Lasse war besorgt.
„Das kriege ich schon hin.“
„Das braucht sie nicht.“ Markus war jetzt stolz. „Ich habe meinen Schlitten mit. Wir können sie damit ziehen.“
Die vier machten sich auf den Weg. Es hatte wieder angefangen, zu schneien, dieses Mal dicke, pappige Flocken.
In der Klinik stand Emma am Fenster und sah den wirbelnden Schneeflocken zu.
„Ich liebe Schnee!“, rief sie und drehte sich zum Weihnachtsmann um. „Ich gehe jetzt in den Park hinunter und werde einen Schneemann bauen. Ich baue ihn da unten auf dem Rasen, damit du ihn auch sehen kannst“.
„Wie, du kannst einfach in den Park hinunter gehen?“
„Natürlich. Ich bin freiwillig hier, weißt du? Ich habe mich selbst eingeliefert. Manchmal, wenn ich das Leben nicht so gut ertragen kann, dann komme ich hier her. Ich bleibe ein paar Wochen bis es mir wieder besser geht und dann gehe ich zurück nach Hause. Ich bin nur deshalb auf der geschlossenen Station, weil hier die Schwestern besonders nett sind und weil ich hier Freunde habe.“
Sie ging zur Schwester, wechselte mit ihr ein paar Worte und verließ dann die Station.
Lena, Svea, Markus und Lasse waren inzwischen an der Klinik angekommen. Sie musterten das Gebäude sorgfältig.
„Da oben, auf der linken Seite, im zweiten Stock ist ja die geschlossene Station“, sagte Lena.
„Mit vergitterten Fenstern,“ ergänzte Lasse. „Bringt uns nicht wirklich weiter“.
„Wir können da nicht so hinauf starren, das fällt auf“, sagte Markus.
„Kommt, wir bauen einen Schneemann!“, sagte Lasse plötzlich.
„Bist du jetzt übergeschnappt?“ fragte Markus. „Wie kannst du jetzt an Schneemänner denken?“
„Er hat völlig recht“, rief Lena, die verstanden hatte, was Lasse wollte. „Was könnte denn unauffälliger sein als vier Kinder, die im Park einen Schneemann bauen? Und während wir die Schneekugeln herum rollen, können wir die Klinik total unauffällig ausspionieren.“
„Das ist gut.“ Gemeinsam begannen sie, drei Schneekugeln zu rollen, während Svea auf ihren Krücken herumlief und unter den Bäumen Tannenzapfen aufsammelte, um den Schneemann zu verzieren.
Da trat auf einmal eine Frau auf sie zu. Sie war etwas älter als Markus‘ und Lenas Eltern und war unglaublich bunt gekleidet.
„Ich heiße Emma Freitag und wohne hier. Wie heißt ihr, und darf ich bei eurem Schneemann mit bauen?“
Die vier wechselten einen schnellen Blick. Eine Störung konnten sie eigentlich nicht brauchen.
„Wir dachten, dass wir den Leuten hier eine Freude machen und einen schönen Schneemann bauen“, sagte Lena höflich. „Wo wohnen Sie denn genau?“
„Oh, da oben im zweiten Stock. Seht ihr, da wo der Mann am Fenster winkt. Das ist nämlich mein Freund, der Weihnachtsmann“, sagte die Frau. Und in einem verschwörerischen Tonfall fügte sie hinzu: „Wisst ihr, er ist nämlich der echte Weihnachtsmann!“
Svea sah zu dem Fenster hinauf. Dann sah sie die bunte Frau an und sagte langsam:
„Entschuldigen Sie bitte, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Svea Eisblume und das ist Lasse Schneesturm. Die beiden da sind Lena und Markus.“ Während sie sprach, ließ sie Emma nicht aus den Augen.
„Svea Eisblume? Lasse Schneesturm? Ihr seid Wichtel und hier, um den Weihnachtsmann zu befreien! Er hat mir ganz viel von euch erzählt. Ich werde euch dabei helfen!“
„Aber wie denn?“
„Ich sage dem Weihnachtsmann, dass ihr da seid und dann kommt er heute Nacht herunter und ihr fahrt mit dem Schlitten davon. Ihr habt doch Eisbart und den Schlitten dabei, oder?“
„Und wie soll er einfach herunterkommen?“, fragte Svea. „Er ist doch auf der geschlossenen Station!“
„Ich dachte der Weihnachtsmann kommt überall ohne Probleme hinein und heraus“, wunderte sich Emma.
„Das kann er nur am Heiligabend“, erklärte Lasse. „In dieser Nacht hat er die Magie, um alle Türen der Welt zu öffnen. An allen anderen Tagen ist ein ganz normaler Mann, der einen Schlüssel für eine abgesperrte Tür braucht. “
„Wir brauchen also einen Plan“, sagte Lena. Und zwar einen, der mich außen vor lässt, denn die meisten vom Personal in der Klinik kennen mich wegen meiner Mutter. Sie arbeitet hier.“
„Kannst du sie nicht einfach mit deinen Freunden besuchen?“, fragte Emma.
„Geht leider nicht. Sie darf keinen Dienst haben, wenn wir den Weihnachtsmann befreien, denn sie kennt auch Markus, und sie würde sofort Verdacht schöpfen, wenn er mit den Wichteln aufkreuzt.“
Sie arbeiteten eine Weile schweigend am Schneemann weiter. Plötzlich sagte Emma:
„Ich habe eine Idee. Ihr besucht mich. Und weil sie Kinder nicht alleine hier hereinlassen, werdet ihr mit meinem Onkel Eisbart kommen, der leider kleinwüchsig ist. Er wird meine Großneffen und Großnichte mitbringen. Ich erzähle, dass ich euch heute im Park getroffen habe, und dass ihr gerne sehen wolltet, wie es hier so ist. Und wegen Eisbart, der heute nicht kann, verschieben wir den Besuch auf morgen am späten Nachmittag.“
Als der Schneemann war fertig. Alle verabschiedeten sich und gingen nach Hause, um ihre Vorbereitungen zu treffen. SIE HATTEN EINEN PLAN.