Als der Weihnachtsmann verhaftet wurde: 20.Dezember

Bernd Steinberg fuhr mit seinem Kollegen Frank Müller wieder einmal auf Streife. Auf den Straßen war die Hölle los. Erst das Glatteis-Chaos, dann die Schneemengen. Der Winterdienst kam kaum mit den Räumarbeiten hinterher. Ständig gab es kleinere Unfälle, Autos, die zusammen rutschten oder im Graben landeten.

Zum Glück waren die meisten Leute vernünftig genug, um das Auto stehen zu lassen, und diejenigen, die sich auf die Straße wagten, fuhren langsam und vorsichtig, so dass es nur zu Blechschäden kam. Ärgerlich genug, denn dann waren die beiden Polizisten gefragt.
Aber es gab auch schöne Szenen. Die Kinder genossen den Schnee und Eltern holten ihre Sprößlinge von der Schule oder dem Kindergarten ab und bauten mit ihnen Schneemänner und fuhren Schlitten. Bernd nahm sich vor, an seinem freien Wochenende auch mit Markus Schlitten fahren zu gehen. Vielleicht konnte er ein Gespräch „unter Männern“ mit ihm führen und diese Geschichte mit den Lügen und den Heimlichkeiten klären.
Er hatte seinem Kollegen Frank das Herz ausgeschüttet, und dieser hatte ihm so ziemlich genau dasselbe gesagt, was der Weihnachtsmann auch zu Lenas Mutter gesagt hatte.
Jetzt meldete sich die Zentrale. Sie sollten bei der Kleingarten-Kolonie am Stadtrand nach dem Rechten sehen. Anscheinend hatten Anwohner beobachtet, dass Kinder und Jugendliche auf einem der Grundstücke herumstrolchten. Als ob sie nichts Besseres zu tun hatten!
Die beiden Polizisten näherten sich dem kleinen Gartenhaus. Tatsächlich, unter dem Neuschnee konnte Bernd schwache Fußspuren im Schnee erkennen. Irgendjemand war hier gewesen. Er rüttelte an der Türklinke. Verschlossen. Er rief: „Hallo, ist da wer? Hier ist die Polizei!“
Von drinnen meinte er, ein leises Geräusch zu hören, aber das konnte auch eine Einbildung sein. Mit einem Krachen fiel eine dicke Lage Schnee von einem Baum in der Nähe. Die Polizisten zuckten zusammen, dann lachten sie nervös. Frank gab Bernd ein Zeichen, dann trennten sie sich und umrundeten vorsichtig in unterschiedlichen Richtungen das Häuschen. Auf der Rückseite trafen sie sich wieder. Bernd spähte durch ein Fenster in ein leeres Bad. Dort gab es keine Spuren von Eindringlingen. Frank war unterdessen zur Seitenwand gelaufen. Jetzt rief er seinen Kollegen.
„Schau mal hier durch das Fenster!“ In dem kleinen Raum war zwar niemand zu sehen, aber der Tisch war übersät mit Papier und Bastelmaterial. Offensichtlich hatte hier jemand unlängst gearbeitet.
Bernd stutzte. Dann drehte er sich langsam um und musterte das Grundstück. Irgendwie kam ihm alles bekannt vor. Richtig, das hier war der Garten von Hannah und Thomas Eiche, Lenas Eltern. Im August hatten sie hier doch noch zusammen gegrillt und dann Sternschnuppen beobachtet. Die Kinder waren ganz aufgeregt gewesen, nur Lisa war auf seinem Schoß eingeschlafen. Klar, jetzt im Winter, wo alle Bäume kahl waren, sah alles ganz anders aus, und mit dem Schnee erst recht.
Er drehte sich zu Frank herum. „Wir können gehen. Ich glaube, ich weiß, was hier los ist. Alles ganz harmlos. Ich muss nur mal telefonieren, aber das möchte ich im warmen Auto erledigen.“
Im Streifenwagen nahm er sein Handy heraus und wählte eine Nummer.
„Hallo Hannah, hier ist Bernd Steinberg. Euch gehört doch ein Gartengrundstück am Stadtrand, nicht? Heckenrosenweg 21? Ja, ich dachte mir, dass das Eures ist. Ich glaube, ich habe das Geheimnis unserer herum stromernden Kinder gelöst.“
Die beiden Polizisten fuhren davon. Sie bemerkten nicht die schmale Gestalt, die sich aus dem Schatten einer Hecke löste und auf das Häuschen zulief und sahen auch nicht, wie sich die Tür vorsichtig öffnete und die Gestalt hineinschlüpfte.
Im Badezimmer atmete Svea langsam aus. Als die Männer an der Türklinke gerüttelt hatten, war sie so schnell in das Bad geglitten, wie es eben mit den Krücken möglich war. Sie hatte sich hinter der Tür an die Wand gepresst, in der Hoffnung, dort nicht sichtbar zu sein. Wie gut, dass Lasse darauf bestanden hatte, dass sie die Haustür hinter ihm abschloss.
Als es, kurz nachdem die Männer gegangen waren, wieder an der Tür klopfte, raste ihr Herz gleich wieder wie verrückt. Aber dann bemerkte sie, dass es das vereinbarte Klopfzeichen von Lasse war, und sie ließ ihn ein.
Lasse nahm sie erst einmal in die Arme. „Schneesturm und Polarlicht, das war ja eine Aufregung. Meine arme Svea! Ich habe alles beobachtet. Wäre ich nur zwei Minuten eher da gewesen, hätten die beiden Polizisten mich voll erwischt. Wir haben ein solches Glück. Wie gut, dass du die Tür abgeschlossen hast!“
„Das kannst du laut sagen. Ich war gerade auf dem Weg ins Bad, als sie kamen, sonst hätte ich das mit den Krücken nie so schnell geschafft. Aber sie haben meine Karten durch das Fenster gesehen.“ Sie machte ein kummervolles Gesicht.
„Alles halb so wild. Anscheinend war der eine Polizist der Vater von Markus. Ich habe gehört, wie er mit jemandem telefonierte und ich glaube, das war Lenas Mutter. Er scheint anzunehmen, dass die Basteleien auf Lenas und Markus’ Konto gehen. Das könnte bedeuten, dass wir künftig nicht mehr ganz so vorsichtig zu sein brauchen.“
„Das ist ja eine gute Nachricht. Aber Lasse, was ganz anderes. Hast du von Eisbart etwas zu Essen mitgebracht? Ich habe ganz schönen Hunger und wir haben nichts mehr da. Die Kinder sind nicht gekommen, da muss etwas schief gegangen sein.“
„Eisbart hat selber fast nichts zu essen. Die Vorräte, die wir mitgenommen hatten, sind bei dem Absturz zum größten Teil verloren gegangen. Den Rest braucht er. Aber hier, ich habe dir etwas mitgebracht.“ Er reichte Svea eine Dose mit einem Butterbrot. „Von Lena. Ich habe bei der Schule der beiden vorbeigeschaut, als ich mit Eisbart zum Schlitten gegangen bin. Wir wussten ja nicht, wo sie wohnen, aber als die beiden uns hierher gebracht haben, sind wir doch an der Schule vorbei gekommen und Lena hat sie uns gezeigt. Erinnerst du dich? Ich wollte wissen, ob gestern alles gut gegangen ist und ihnen auch von dem missglückten Befreiungsversuch erzählen. Sie hatten gerade Hofpause und haben mich zum Glück am Zaun entdeckt.
Beide haben Hausarrest, keine Ahnung wie lange. Sie haben auch kein Taschengeld mehr, können uns also auch nichts geben, damit wir uns etwas zu Essen kaufen können. Aber Lena hat darauf bestanden, uns ihre Pausenbrote zu geben, so dass wir zumindest für heute Abend etwas haben. Und Lena hat eine Idee, die sie mir aber nicht erklären konnte, weil die Pause vorbei war. Markus hat mir noch schnell einen Zettel zugesteckt, er hatte wohl gehofft, dass ich auftauche. Da steht seine Adresse drauf. Ich soll heute Nacht um zwei, wenn alles schläft, zu ihm kommen, dann erklärt er mir Lenas Plan.“
Lasse und Svea räumten den Tisch leer und aßen die Brote von Markus und Lena, dann gingen sie schlafen. Sie waren immer noch etwas hungrig und außerdem erschöpft von den Aufregungen des Tages. Sveas Fuß schmerzte, und Lasse, der ja schon in der Nacht zuvor unterwegs gewesen war, hatte wieder einen nächtlichen Ausflug vor sich. Dazu kamen die Sorge um die verfahrene Situation und die Kälte in der Hütte.
„Der Morgen ist klüger als der Abend, sagt man nicht so?“, meine Svea. „Hoffentlich stimmt das in unserem Fall auch

Deine Meinung interessiert mich

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..