Früh am nächsten Morgen erwachte der Weihnachtsmann. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er war. Er sah sich um. Der Raum, in dem sein Bett stand, sah freundlich aus. Helle Farben, weiche Kanten, nur die Gitter vor dem Fenster verwirrten ihn. Dann fiel ihm alles wieder ein: Der Wunschzettel, die beiden Männer in den blauen Uniformen, die Nacht in der ungemütlichen Zelle. Dann die anderen Männer in der weißen Kleidung und schließlich dieser Ort. Man war freundlich zu ihm gewesen, hatte viele Fragen gestellt, aber obwohl die Leute ihm zugehört hatten, wusste der Weihnachtsmann, dass sie ihm nicht glaubten. Schlimmer noch, sie taten nur so, als würden sie ihn ernst nehmen.
Er machte sich Sorgen. In dieser Nacht hatte er versucht, wach zu bleiben, doch die Aufregung der letzten Tage hatte ihren Tribut gefordert. Aber auch wenn er geschlafen hatte, war klar, dass seine Wichtel nicht gekommen waren, um ihn zu holen. So tief hätte er niemals geschlafen, dass sie ihn nicht hätten wecken können.
Ich hätte auf die Wichtel hören und im Schlitten warten sollen, statt selber die Wunschzettel einzusammeln, dachte er. Die Wichtel waren einfach viel flinker als ein alter Mann wie er.
Außerdem hätten die Menschen sie nie bemerkt, auch wenn sie direkt vor ihren Augen unterwegs gewesen wären. Menschen sehen nur die Dinge, die sie auch sehen wollen. Alles, was ihren Horizont übersteigt, ist für sie unsichtbar.
Aber jetzt nutzte es nicht, sich darüber Gedanken zu machen. Besser, er konzentrierte sich darauf, selber einen Weg aus diesem Schlamassel zu finden.
Auf einem Stuhl lag die Kleidung, die man ihm gegeben hatte. Seine Hose mit den Hosenträgern hatten sie ihm weggenommen und ihm eine mit einem Gummizug im Bund gegeben. Er zog sie an, sie war erstaunlich bequem. Dann trat er aus seinem Zimmer.
Vor dem Zimmer war ein Gang, der in einen großen Raum mit Tischen und Stühlen sowie mehreren Sitzgruppen führte. Acht Menschen hielten sich dort auf, drei Männer, die ähnlich gekleidet waren wie er, zwei Frauen in weißer Kleidung und noch drei weitere Frauen. Eine von ihnen trug einen Rock, der aus lauter verschiedenfarbigen Stoffstücken zusammengesetzt war. Dazu hatte sie einen bunt geringelten Pullover und eine bunte Wollmütze an. Alle sahen zu ihm hin. Der Weihnachtsmann räusperte sich verlegen.
„Guten Morgen?“
„Sieh an, der Weihnachtsmann ist aufgewacht!“, sagte einer der Männer. Sein Lächeln war unfreundlich.
„Hast wohl die ganze Nacht mit deinen Rentieren gepokert, was?“, rief eine der Frauen. Sie und der Mann lachten wiehernd.
„Lasst ihn in Ruhe!“ Die Stimme der buntgekleideten Frau war leise, aber bestimmt.
Erstaunlicherweise ließen die anderen von ihm ab. Jetzt wandte sie sich ihm zu.
„Sie wissen es nicht besser“, sagte sie, „du musst nachsichtig mit ihnen sein.“
Eine der weiß gekleideten Frauen kam auf ihn zu.
„Sind Sie hungrig? Wir haben Ihnen etwas zum Frühstück aufgehoben.“
Der Weihnachtsmann setzte sich an einen Tisch und aß, während alle anderen um ihn herumstanden und zusahen. Es fühlte sich merkwürdig an.
Als er fertig war, sprach ihn eine der anderen Frauen an. „Bist du tatsächlich der Weihnachtsmann?“
Er überlegte kurz. Wenn er es leugnete, würde man ihn möglicherweise freilassen. Aber was dann? Wo sollte er denn hingehen ohne Eisbart, der den Weg zum Nordpol wusste? Ohne irgendeinen Helfer war er bei den Menschen nicht sicher. Hier war es wenigstens warm und er hatte ein Bett und etwas zu essen. Die Leute schienen recht freundlich zu sein. Die Antwort war also einfach.
„Ja.“
„Wo wohnst du?“
„Am Nordpol.“
„Erzähl uns, wie es dort so ist.“
Und so setzte sich der Weihnachtmann in einen der Sessel. Die anderen setzten sich um ihn herum und er begann…
Fortsetzung folgt
Wer sich am Adventskalender beteiligen möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Wie das geht, steht hier.